Schon als ich mit meinem Freund zusammen gekommen bin, stand für uns fest: eines Tages werden wir beide zusammen nach Brasilien fliegen. Er hat während der Schulzeit für ein Jahr dort gelebt und hat immer noch einen super guten Kontakt zu seiner Gastfamilie. In den ersten Jahren unserer Beziehung tauchte das Thema dann immer mal wieder auf, wurde aber noch nicht ernsthaft ausdiskutiert. Denn wer kennt es nicht? Man sagt sich immer wieder „Das müssen wir unbedingt mal machen!“, aber letztendlich wird meistens sowieso nichts daraus. Für mich war Brasilien bis dato ein unfassbar weit entferntes, unerreichbares Land und ich hätte mir vorher nie im Leben ausmalen können, dort hinzufliegen und einen Monat mit einer mir unbekannten Familie zu verbringen. Aber dann haben wir einfach beschlossen, den Sommer 2014 als Reisezeitraum festzulegen und begonnen, dafür zu sparen. Und alles Geld wurde beiseite gelegt: Weihnachtsgeld, Geburtstagsgeld und auch das Geld, das an dem einen oder anderen Monatsende übrig geblieben war. Dafür hatten wir uns extra zwei richtig süße Sparschweinchen gekauft.

Zwei Sparschweine, orange und grün

Dann hieß es nur noch: abwarten, bis die Klausurtermine raus sind und ein passender Flug angeboten wird. Und so konnten wir im April für knapp 500 Euro pro Person unsere Reise von Mitte August bis Mitte September buchen. Das war ein super Schnäppchen, aber ich wohne ja auch mit einem Schnäppchen-König zusammen. :)

Voller Vorfreude begann ich dann damit, mich in jeder Hinsicht auf diesen besonderen Urlaub vorzubereiten. Ich brauchte noch einen Reisepass, einen Koffer, jede Menge Impfungen und – achja, Portugiesisch-Kenntnisse! Das Verstehen klappte von Anfang an eigentlich relativ gut. Ein paar Wörter hab ich schon vor Jahren bei Skype-Gesprächen aufgeschnappt und als der Gastbruder meines Freundes uns hier in Deutschland besucht hat. Aber das reichte leider noch nicht so wirklich aus, um eine richtige Unterhaltung zu führen. Eigentlich wollte ich einen Portugiesisch-Kurs an der Uni belegen, weil die Sprachkurse für uns sowieso kostenlos sind und ich das Angebot echt gerne genutzt hätte, aber der war leider schon voll und so habe ich versucht, mir die nötigen Kenntnisse selbst anzueignen. Das hat eher mittelmäßig bis gar nicht gut geklappt und deshalb bin ich mit einem Wortschatz, der von „Hallo, wie geht’s?“ über „Ich bin Michèle“ bis hin zu „Ich verstehe so gut wie alles, aber sprechen kann ich nicht“ reichte, ins Flugzeug gestiegen.

Die Anreise war seeeeehr lang und seeeeehr anstrengend. Gut, wir haben natürlich eine Menge Geld gespart, was für uns Studenten ja echt wichtig ist, aber im Nachhinein würde ich glaube ich lieber noch ein bisschen Geld drauflegen und einen Direktflug buchen. Für uns ging es um 3 Uhr nachts ab nach Brüssel und von da aus mit dem ersten Flugzeug nach Madrid. In Brüssel ist uns übrigens aufgefallen, dass wir kein Deo dabei hatten, also haben wir den ganzen Flughafen nach einem Deo abgesucht und mussten letztendlich ein teures rituals-Set kaufen, weil es kein einzelnes Deo gab. Naja, ich war glücklich – mein Liebster eher nicht so. :)

Kosmetik-Set

In Madrid mussten wir dann ein bisschen hetzen, da wir insgesamt nur eine Stunde Zeit hatten, bis der Flieger nach Rio abgehoben ist. Im Flugzeug nach Rio war es dann erstmal ganz entspannend, mir wurde aber ziemlich schnell langweilig. Das war mein erster Langstreckenflug. Der Flug hat ungefähr 10 Stunden gedauert und ich habe mindestens 5-6 Stunden damit verbracht, das kleine Display vor mir anzustarren, das abwechselnd unsere aktuelle Position, die Entfernung zum Landeflughafen und die Zeitzonen angezeigt hat. Einen Film habe ich mir auch angesehen: „Die Schadenfreundinnen“. Der war echt gut, aber ich hatte dann nach einem Film auch genug. Ich bin echt nicht der Typ, der sich drei Filme hintereinander ansehen kann, obwohl die Auswahl an Filmen wirklich sehr gut und auch relativ aktuell war. Ich hab versucht, ein bisschen zu schlafen, viel zu trinken, Musik zu hören und etwas in „Bridget Jones“ zu lesen. Irgendwie habe ich die verdammte Zeit echt rum bekommen.

Ausblick auf brasilianisches Festland

Als wir dann endlich über das brasilianische Festland geflogen sind, konnte ich meine Augen gar nicht mehr von der Fensterscheibe lösen. Ich war so aufgeregt und nervös zugleich und hatte ein ganz seltsames Gefühl im Bauch. Beim Landeanflug mussten wir eine riesige Wolkenschicht durchqueren und als wir das endlich geschafft hatten, erwartete uns ein verregneter, grauer Ausblick auf die Straßen von Rio de Janeiro. Ich war zwar ein bisschen enttäuscht, dass wir mit so schlechtem Wetter empfangen wurden, aber trotzdem war meine Vorfreude einfach immernoch riesengroß, sodass ich darüber hinweg sehen konnte. In Rio mussten wir dann erstmal durch die Passkontrolle, wo ich mir den ersten Stempel in meinem neuen Reisepass abgeholt habe. Und dann hieß es: SECHS STUNDEN WARTEN. In meinem ganzen Leben ist glaube ich noch nie etwas langsamer vergangen, als diese 6 Stunden. Zumal der Flughafen in Rio absolut Wartezeit-untauglich ist. Es gibt dort nur ganz wenige Läden und Cafés und er machte einen alten, ungefplegten Eindruck auf mich. Ich hab mich dort nicht wohl gefühlt und war unendlich froh, in den Flieger nach Campinas (bei São Paulo) steigen zu können, der zum Glück nur eine Stunde dauerte.
Dort wurden wir von der Gastfamilie abgeholt und wahnsinnig herzlich empfangen. Da waren es dann nach brasilianischer Zeit 23 Uhr, nach deutscher Zeit also 4 Uhr nachts. Damit waren wir dann bereits über 24 Stunden unterwegs und ich war unglaublich kaputt. Trotzdem hatten wir noch 2 Stunden Fahrt nach Itapetininga vor uns, die ich aber trotz Müdigkeit sehr genießen konnte, da die ganze Aufregung mich abgelenkt hat.

Insgesamt hat unsere Anreise also 26 Stunden gedauert. Nachdem wir dann im Haus der Familie angekommen sind und unser größtes Gastgeschenk – 7 Kilo Lindt-Schokolade – verteilt hatten, ging es für uns einfach nur ab ins Bett.

#1 – Die lange Vorfreude und die ewige Anreise
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