Viele Häuser in Brasilien sind wunderschön. Sie haben tolle Gärten mit Palmen, Blumen, einem Pool und einer Grillecke. Für die Kinder gibt es viel zum Spielen (die kleine Gastschwester von meinem Freund hat sogar ein eigenes kleines Haus im Garten) und viele Familien haben Haustiere. Auch von innen sind sie schön eingerichtet und es ist alles da, was man braucht.

Garten Itapetininga

Wo Palmen sind, finde ich es sowieso schön. Außerdem kann man die Sonne genießen und es ist unglaublich ruhig in so einem Garten. Aber trotzdem fand ich das alles erstmal ein wenig beklemmend.

Denn viele Häuser, vor allem im Staat São Paulo, sind von hohen Mauern und einem Elektrozaun umgeben. Gleich vorweg: das gilt natürlich nicht für ganz Brasilien und auch nicht für jedes Haus. Ich habe auch Häuser ohne Zäune und Mauern gesehen.
Auf dem Bild könnt ihr die hohe Mauer schon sehen. Das finde ich aber gar nicht so schlimm, es gibt hier bei uns ja auch Häuser mit Mauern, hohen Zäunen oder Hecken, das Abschreckende daran ist für mich eher der Elektrozaun oben drauf.

Elektrozaun

Ich musste dieses Bild sehr stark zoomen und die obere Ecke ausschneiden, damit man den Zaun überhaupt sieht. Die Mauer ist deutlich höher als ein Mensch. Viele Elektrozäune sehen genauso aus wie dieser hier. Ich habe aber auch ein paar Zäune gesehen, die in große stachelige Schlaufen gelegt sind, wie in vielen Gefängnissen. Aber am Krassesten fand ich Mauern, deren Oberflächen voll mit Glassplittern waren. Überall. Damit niemand auf die Idee kommt, darüber zu klettern.

Elektrozaun

Ich habe mich schnell an Elektrozäune gewöhnt, denn es ist eben einfach „normal“. Wenn ich in einem Haus war, habe ich das alles auch gar nicht so wahrgenommen. Ehrlich gesagt habe ich mich dadurch sogar sicherer gefühlt. Und aus diesem Grund gibt es die Elektrozäune ja auch. Die Menschen in Brasilien achten auf ihre Sicherheit. Auch an das nachts um den Block kreisende Moped, das für Sicherheit im Viertel sorgt, habe ich mich schnell gewöhnt.

Trotzdem ist so ein Elektrozaun für uns erstmal verunsichernd. Mein erster Gedanke war: „Wie kriminell muss es denn hier sein, wenn jeder so einen Zaun und eine hohe Mauer um sein Haus braucht?“. An den ersten Tagen hatte ich wirklich ein bisschen Angst, vor allem abends, und habe mich draußen viel öfter umgeschaut, als ich das hier tun würde. Aber so schlimm ist es überhaupt nicht. Ich habe in meinen vier Wochen in Brasilien keine einzige kriminelle Tat gesehen oder mitbekommen.

Trotzdem gibt es in Brasilien mehr Armut als hier bei uns. Und deshalb ist es unter Umständen auch gefährlicher und die Leute möchten sich schützen. Es gibt viele Straßen, in denen man die Häuser eigentlich kaum sehen kann.

Auch in der Stadt São Paulo sind viele Häuser durch Mauern und Zäune geschützt. Dort ist es natürlich gefährlicher als in Itapetininga zum Beispiel, die Stadt ist riesengroß und es gibt viele Favelas.

Sao Paulo, Straße

Ich finde den Anblick einfach so seltsam. Man kann kein Haus wirklich sehen, alles wirkt so anonym. Das Paradoxe daran ist, dass viele Menschen hinter der Mauer und dem Elektrozaun ganz offen leben. Mit großen Glasfenstern oder offenen Türen. In São Paulo bei den Großeltern war direkt hinter der Mauer eine Terrasse und die Haustür stand den ganzen Abend lang offen.

Meine erste Nacht in São Paulo war ziemlich interessant. Ich habe nicht gut geschlafen, weil alles noch so neu war – es war ganz am Anfang unserer Reise und ich hatte das Zimmer zur Straße hin. Es war laut und das Fenster war offen, weil es sehr warm im Zimmer war. In dem Viertel, in dem wir in São Paulo waren, fährt auch jede Nacht ein Nachtwächter um den Block und hupt in regelmäßigen Abständen, um den Anwohnern zu zeigen, dass alles in Ordnung ist. So alle fünf Minuten kam er an unserem Haus vorbei. Die Hupe klang irgendwie wie eine Sirene. Hat echt lange gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hab, dass das ein gutes Geräusch ist.

In Großstädten ist man auch in Hochhäusern sehr sicher. Das war auch in Rio de Janeiro so, als wir eine Gasttante besucht haben. Sie hat in einem Hochhaus gewohnt mit hohem Zaun natürlich und mit einem Portier – rund um die Uhr.

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, aber ohne Zaun und Mauer, der zieht in ein „Condominio“. Viele Städte haben Condominios, auch Itapetininga. Das ist wie eine kleine Stadt. Es gibt viele schöne Häuser in vielen Straßen und das alles ist mit einer riesigen Mauer und natürlich mit einem Elektrozaun umrundet. Es gibt bewachte Eingänge mit Schranken und es werden nur Leute mit Erlaubnis hereingelassen. Die Gastoma von meinem Freund wohnt in so einem Condominio und wir haben sie an einem Tag mal dort besucht. Das ist wirklich beeindruckend. Die Häuser im Condominio sind riesig und sehr, sehr schön. Die Grundstücke da sind teuer und werden von ihren Besitzern sehr gepflegt. Die Häuser im Condominio haben dann selbst keinen Zaun mehr. Man bräuchte wahrscheinlich nicht mal eine Haustür.

Condominio

Hier ist ein Condominio von außen. Es ist unglaublich ruhig und entspannt da drin, aber für mich auch ein bisschen realitätsfern. Trotzdem kann ich es durchaus verstehen, dass es Leute gibt, die ein Leben in einem Condominio bevorzugen.

Mit diesem Beitrag wollte ich euch mal einen anderen Einblick von Brasilien geben als bisher. Ich sehe die Elektrozäune bzw. die ganze Wohnsituation nicht als etwas Schlechtes an und so möchte ich es hier auch nicht rüberbringen. Es ist einfach ganz anders als hier bei uns und das wollte ich euch hiermit einmal zeigen.

Habt einen schönen Abend! :)

#11 – Ein Leben hinter Mauer und Elektrozaun
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